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Foto: © Till Taubmann
Foto: © Till Taubmann

Titelstory

Die Linie 11: Frankfurts Kultur-Express

Die Straßenbahnlinie 11 verbindet urbanen Gigantismus mit beschaulicher Natur, Tristesse mit Hochkultur, Arbeitsalltag mit Feierabendlaune, und das auf 14 Kilometern von West nach Ost – oder umgekehrt.
Die Linie 11 ist auf den beiden kilometermäßig längsten Straßen Frankfurts, der Mainzer und der Hanauer Landstraße, unterwegs. Die Fahrgäste bilden einen bunten Mix der Gesellschaft: Eltern treffen hier auf Pendler, treffen auf Studierende, treffen auf Touristen. Bunte Vögel auf verlorene Seelen, Rentnerinnen auf Chabos. Unter anderem vom Posen – im Hip-Hop – erzählt in der Schirn aktuell eine Ausstellung. Hier in der 11 geht es den Jungs-Cliquen im richtigen Leben auch ums Posen, mit den passenden Sneakers, Jacken und Frisuren.

Vom Posen kann auch Frankfurts bekanntester Straßenbahnfahrer, nämlich Peter Wirth, ein Liedchen singen. Hat er doch seinen Spitznamen „Bahnbabo“, der zur Marke wurde, einst von Jugendlichen erhalten. Diese waren so beeindruckt von dessen definierten Muskeln, dass sie ihn mit Bahn-„Babo“ („Chef “/“Meister“) betitelten. Dass er sich letztes Jahr als Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl aufstellen ließ und dabei, quasi aus dem Stand, 5,1 Prozent der Stimmen erhielt, ist bekannt.

Weniger bekannt bislang ist seine Frau Heike, die, genauso wie der Bahnbabo selbst, auch Straßenbahn fährt. Kennengelernt haben sie sich allerdings nicht über den Job, sie kannten sich schon lange davor. Zu Beginn ihrer Tätigkeit gab es zwar noch nicht so viele Frauen in diesem Beruf, „aber es waren nicht so wenige, wie man vielleicht vermuten würde“, betont Heike. Sie fuhr bereits ein halbes Jahr Straßenbahn, als ihr Mann auch damit begann.



Der Bahnbabo und seine Frau Heike lenken seit über 30 Jahren Straßenbahnen in Frankfurt. © Dirk Ostermeier

Heike Wirth über die 11: „Es ist eine anstrengende Strecke, man muss aufgrund der verschiedenen Verkehrsteilnehmer hoch konzentriert sein“

Der Bahnbabo sagt, dass die 11 eine ganz besondere Linie ist. Sie sei in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. „ Auf der Hanauer Landstraße oder das ganze Stück auf der Mainzer Landstraße, wo wir noch keinen eigenen Gleiskörper haben. Da teilen wir uns den Schienenplatz, den wir haben, mit dem Individualverkehr. Da kommt es auch immer wieder zu heiklen Situationen“, sagt er.

Seine Frau äußert sich ganz ähnlich. „Es ist unsere längste Linie, es ist eine anstrengende Strecke, man muss aufgrund der verschiedenen Verkehrsteilnehmer, wie Autos, Räder, E-Scooter und Fußgänger hoch konzentriert sein“, sagt sie. Sie mag am Straßenbahnfahren die Abwechslung und auch
besonders Strecken durch den Wald und im Grünen. Gerade im Sommer könne man hier mehr durchatmen.



Zwischen der Skyline fahren gleich mehrere Straßenbahnlinien, unter anderem die 11. © Dirk Ostermeier

Der Bahnbabo über die 11: „Wir verbinden alle kulturellen Teile und sozialen Schichten dieser Gesellschaft, weil wir durch alle diese Stadtteile fahren“

Die 11 baue gesellschaftliche Brücken. „Wir verbinden alle kulturellen Teile dieser Gesellschaft, alle sozialen Schichten, miteinander in der Linie 11, weil wir eben durch alle diese Stadtteile fahren, die strukturell sehr unterschiedlich sind“, sagt der Bahnbabo. Heike hat noch zweieinhalb Jahre, ihr Mann nur noch wenige Monate bis zur Rente. „Mein Arbeitsleben neigt sich seinem Ende entgegen und ich gehe dann in meine verdiente Rente. Nach 36 Jahren und Millionen von Kilometern steige ich aus der Kabine aus und überlasse sie jüngeren Vertretern. Aber man wird mich auch immer wieder zu Gesicht bekommen, zum Beispiel in der Politik. Ich werde mich einbringen und endlich Zeit für mehr Vereins- und Charity-Tätigkeiten haben“, sagt der Bahnbabo.

Sein Anliegen ist es nach wie vor, junge Menschen für den Straßenbahnfahrerberuf zu gewinnen. „Leute, bewerbt euch bei uns und helft mit, dem Personalmangel entgegenzuwirken. Macht den ÖPNV in Frankfurt wieder stabil!“ Noch bunter wird die Fahrt mit der 11 aufgrund der Kulturorte entlang oder unweit der Strecke, derer einige hier – in subjektiver Auswahl – hervorgehoben werden sollen.

Haltestelle Zuckschwerdtstraße

Die Zuckschwerdtstraße ist Anfangs- und Endhaltepunkt, und die meisten, die hier ankommen, möchten gerne schnell weg, denn schön ist es hier nicht. Höchst selbst hat aber zum Glück auch höchst erfreuliche Orte, die sind von hier aus zu Fuß schnell zu erreichen. Zumal Höchst über eine Altstadt, den Bolongaropalast und die Niddamündung nebst erholsamer Grünanlagen verfügt. Auch das Neue Theater Höchst wird von diesem Haltepunkt fußläufig in circa zehn Minuten erreicht. Das Kleinkunsttheater versteht sich als Ort für intelligente Unterhaltung. Wandkunst gibt es nicht nur Downtown, sondern auch in Höchst. An der Fassade des Leunabunker haben sich der bekannte Graffiti Artist Bomber und friends verewigt, und das ist äußerst sehenswert. Nach dem Besuch von Höchst geht es dann wieder Richtung Osten.



Die 11 dreht eine Runde in Höchst. © Dirk Ostermeier

Haltestelle Mönchhofstraße

Viele Wohnblocks zur linken, Schrebergärten zur rechten, aber an dieser Haltestelle sind es nur wenige hundert Meter bis zur Kommunikationsfabrik. Ehemals in der Sachsenhäuser Klappergass‘, befindet sich das Bett inzwischen in der Schmidtstraße 12. Am ersten Standort war es gemütlich und nicht nur das. Viele der Künstler aus aller Welt, die damals noch im „Das Bett“ spielten, nächtigten nach ihrem Auftritt kurzerhand im oberen Stockwerk des „Betts“, daher der Name. Der Umzug des „Betts“ ins Gallusviertel 2009 war Wagnis und Chance in einem. Seitdem tritt ein breiteres Spektrum an Bands auf. Dort ansässig ist auch das LAB. Es handelt sich um einen Produktions- und Aufführungsort für zeitgenössische darstellende Kunst und Musik. Populistischen Stimmen und einfachen Antworten auf gesellschaftliche Fragestellungen sollen im Frankfurt LAB vielschichtige, multiperspektivische Modelle entgegengesetzt werden.



Blick auf die Galluswarte © Dirk Ostermeier

Haltestelle Willy-Brandt-Platz

Auch an diesem Haltepunkt gibt es viel Theater. Neben dem großen Renommee der hier ansässigen Bühnen, sind sie in letzter Zeit hauptsächlich aufgrund der Sanierungsfrage beziehungsweise der Neubauvorhaben in den Schlagzeilen. Das Schauspiel versteht sich noch deutlicher als in den vergangenen Spielzeiten als Plattform, „die regionale und internationale Vernetzung“ stiftet. Zu seinem Selbstverständnis gehören „der Dialog und die Verteidigung einer offenen Gesellschaft mit den Mitteln der Kunst“. Die Oper ist das Musiktheater der städtischen Bühnen Frankfurts. Sie ist eines der bedeutendsten Musiktheater in Europa. Die Oper wird am alten Standort neu gebaut, das Schauspiel bekommt nicht nur einen Neubau, sondern auch einen neuen Standort, mehrere Varianten sind derzeit in der Diskussion.

Auch das The English Theatre machte zuletzt weniger durch die Tatsache, das größte englischsprachige Theater auf dem europäischen Kontinent zu sein, von sich reden, sondern durch Standortnöte. Es wird nach der Sanierung des Gallileo-Turms wieder dorthin zurückkehren. Eine Übergangsspielstätte ist das frühere Fritz Rémond Theater im Zoogesellschaftshaus. Die Komödie besteht seit 1950 und nannte sich zunächst „Theater am Roßmarkt“. Die Sehnsucht nach Heiterem traf den damaligen Zeitgeist. Vom Roßmarkt ging es in die Neue Mainzer Straße, ganz in die Nähe der anderen Theaterhäuser. Es folgte Abriss und Neubau an gleicher Stelle. Bis heute ist der Name der Komödie Programm.



Die 11 entlang der Theater und Hochhäuser © Dirk Ostermeier

Haltestelle Römer/Paulskirche

Wer hier aussteigt, erreicht massenhaft innerstädtische Kulturorte zu Fuß. Hier steht die Wiege der Demokratie, die Paulskirche, natürlich der Römer, die Alte Nikolaikirche, das Historische Museum, die neue Altstadt, die Schirn, der Kaiserdom, das MMK, viele Galerien und Auktionshäuser. Eine der jüngeren und zukunftsweisenden Kulturstätten an diesem Standort ist das Massif Central im Bethmannhof. Kunst und Kultur feiern hier den Zeitgeist, auch Gamer fühlen sich wohl. Der Frankfurter Salon ein Stück weiter auf der Braubachstraße ist ein Kulturort, gleichermaßen aber auch ein Kuchenort und ein sozialer Ort in mehrerlei Hinsicht. „Salon“ möchte die ursprünglich demokratische, inklusive Salon-Idee wiederbeleben. Er bietet Raum für Gespräch und Auseinandersetzung. Dazu selbstgebackenen Kuchen, aber auch Quiche und Suppen. Abends gibt es Jazz, Chanson, Kammermusik, Lyrik, Lesungen bis hin zu Vorträgen und Talkrunden.



Auch das MMK liegt entlang der Strecke, in der Innenstadt. © Dirk Ostermeier

Haltestelle Allerheiligentor

Das Internationale Theater ist eine private Gastspielbühne. Das Theater macht Kulturen aus aller Welt in unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen authentisch erlebbar. Die jeweilige Heimatkultur der Kunstschaffenden wird auf die Bühne gebracht. Ziel ist es, für die vielen, hier lebenden Menschen anderer Herkunft eine kulturelle Heimat zu bieten und für die übrige Frankfurter Bevölkerung eine Brücke zu deren Kulturen zu bauen. Damit soll ein Beitrag zur kulturellen Wertschätzung, Toleranz und zur Integration geleistet werden.

Haltestelle Osthafenplatz

Auf der Hanauer Landstraße 136 hat der bekannte Immobilienentwickler und Kunstfreund Ardi Goldman 2023 Wetopia verwirklicht. Gleich an mehreren großen Häusern, nämlich auf insgesamt 10 000 Quadratmetern Fassaden und Wänden, durften hier zehn Künstlerinnen und Künstler ihre Murals und Wandkünste umsetzen. Nämlich Justus Becker/COR, Giza One, Yeah, Floor Milou Smit, Gizem Erdem, Land of Julia, Isakov, Krashkid, Ju Mu, und Verena Grund. Bald wird noch eine elfte Wand gestaltet werden und zwar im Mai 2024 von der international bekannten und in Frankfurt beheimateten Streetart Künstlerin Hera von Herakut.



Im Ostend mahnt der Schornstein mit „Achtung“ – gegen Unmenschlichkeit und Antisemitismus. © Dirk Ostermeier

Haltestelle Ostbahnhof/Honsellstraße

Von hier aus ist das Montez nicht weit, das viel mehr ist als ein Kunstverein. Hier gibt es ganz viel künstlerische Erbauung, gleichzeitig ist der Raum ein Sonntagswohnzimmer bei guten Gesprächen mit Kaffee und Kuchen. Der Kunstverein Familie Montez e. V. widmet sich der zeitgenössischen Kunst und wurde im Jahr 2007 von den Künstlern Mirek
Macke und Anja Czioska gegründet. Der Kunstverein organisiert Vortragsreihen, Filmprogramme, Performances, Musikveranstaltungen, Sommerakademien und Partys. Zu den Highlights in jedem Sommer gehören die musikalischen Veranstaltungen von Jazz Montez unter freiem Himmel, bei denen die große Treppe vor dem Gebäude als Zuschauerraum dient.

Haltestelle Schwedlerstraße

Die Geschichte der Romanfabrik bietet schon fast Stoff für einen Roman. Die beteiligten Akteure sind ein Knacki und eine erfolgreiche Cartoonistin, die sich verlieben. Ein Bordellbesitzer hilft dem Knacki nach seiner Entlassung und richtete ihm eine Kellerkneipe ein. Hier gab es fortan Lesungen und Künstlerisches aller Art. Die Geschichte stammt aus dem Jahr 1985. 13 Jahre danach kam dann der große Umbruch: Ausgelaufener Mietvertrag, ein neuer Standort wurde gesucht. Ein Kontakt zu Ardi Goldman tat sich auf. Er war dabei, das Gelände des ehemaligen Frankfurter Brauhauses auf der Hanauer Landstraße neu zu gestalten, und wollte dort ohnehin Platz zusätzlich für Kultur schaffen. Der
Verein Romanfabrik ging schließlich das Wagnis ein, dort einzuziehen. Das ist alles lange her, und es folgten diverse Renovierungen und Weiterentwicklungen.

Das Atelierfrankfurt (AF) befindet sich zwischen Hanauer Landstraße und Osthafen in einem imposanten Gebäudekomplex, es ist eines der größten Künstlerquartiere Deutschlands. In diesem 11 000 Quadratmeter großen, ehemaligen Lagerhaus haben über 220 Kreative mit ihren Ateliers ihr Zuhause gefunden. Betreiber ist der gemeinnützige Verein Atelierfrankfurt e.V.. Bildende Kunst, Künstlergespräche, Diskussionen und Theorien gehören ebenso zum AF wie Kulinarik, Musik, Tanz und Literatur.



Von der Haltestelle Riederhöfe erreicht man viel Streetart und Graffiti. © Dirk Ostermeier

Info
MIT DER LINIE 11 UNTERWEGS
Sie ist die längste der Stadt und durchquert Frankfurt von West nach Ost und umgekehrt.
Sie ist ein demokratisches Verkehrsmittel und wird tagtäglich von Tausenden genutzt.

Viele wichtige Kultureinrichtungen befinden sich an ihrer Strecke.
Warum nicht einmal die Perspektive wechseln und aus der
Tram auf die Stadt blicken?

Die Frankfurter Stadtevents bieten Rundfahrten mit der 11 und anderen Trams an.
Mehr Infos unter: www.frankfurter-stadtevents.de/bahn




In Fechenheim im Grünen angekommen © Dirk Ostermeier
 
24. April 2024, 12.00 Uhr
Meike Spanner
 
 
Fotogalerie:
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